Märchen lesen, ansehen und schreiben

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Günther Havela/ pixelio.de

Zunächst einmal sind Märchen geschrieben worden und werden bis heute geschrieben für Erwachsene. Die Gebrüder Grimm merkten an zum ersten Buch der “Kinder- und Hausmärchen“, dass sie diese für Wissenschaftler und interessierte Laien aufzeichneten. Wir unterliegen zumeist dem Irrtum, dass Märchen nur etwas für Kinder seien. Dazu trägt natürlich auch der Titel der Aufzeichnungen der Gebrüder Grimm bei “Kinder- und Hausmärchen”. Er suggeriert, dass diese Märchen für Kinder gesammelt und aufgeschrieben wurden. Doch das ist falsch. Erst in späteren Ausgaben des Buches verniedlichten die Gebrüder Grimm die Märchen und unterlegten teilweise christliche Normen als Reaktion auf Kritiken, dass die Märchen nicht kindgerecht seien. Märchen sind für Erwachsene und werden von diesen den Kindern nahe gebracht.

Das entspricht auch der Entstehungsgeschichte von Märchen. Das einfache Volk erzählte sie sich untereinander am Abend, nach getanem Tagwerk, wenn die Kinder schliefen. Die Verniedlichung sollte also nicht im Ursprungsmärchen erfolgen, sondern durch die Erzählung der Erwachsenen für Kinder. Das betrifft auch spezielle Kindermärchenbücher. Dabei unterscheiden sich die Verniedlichungen in Abhängigkeit vom Alter der Kinder bis hin zum Teenageralter, wo wieder auf die Originale zurückgegriffen werden sollte. Deshalb ist es auch so wichtig, die Märchen in einer anspruchsvollen Sprache zu schreiben bzw. beim Verfilmen einen hohen Anspruch zu stellen, also z.B. sehr gute Schauspieler zu verpflichten.

Märchen der Gebrüder Grimm

Die Gebrüder Grimm schrieben die Märchen in der Zeit der Romantik auf. Auch wenn sie selbst nicht zu den Romantikern gehörten: die Geschichten hatten einen romantischen Charakter, was mystische Elemente mit einschloss. Die Romantik war schwärmerisch und gefühlsbetont und legte großen Wert auf den Ausdruck der Seele. Anders als die Aufklärung, die rein rational an die Dinge heranging, zeigte die Romantik auf, dass Gefühl und Intellekt, Rationalität und Intuition zusammen gehören. Romantische Belletristik wendete sich der Natur zu und betonte subjektive Gefühle genauso wie das Individuum und seine Selbstverwirklichung.

In der Zeit der Romantik gab es einen Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, wo wir wieder bei den Märchen landen, die viel älter waren als die Gebrüder Grimm, bis ins Mittelalter oder noch weiter zurück reichend. Bei der Einordnung der Märchen ist das besonders wichtig. So entstand das Märchen Dornröschen zwar im Mittelalter, beschreibt aber die Phase des Herrschaftsantritts des Patriarchats mit dem Ausblick, dass das Matriarchat nicht tot ist, sondern in der Vereinigung von Männlichem und Weiblichem wiederkommen wird.

Die ersten Auflagen der “Kinder- und Hausmärchen” wurden kritisiert, dass sie nicht kindgerecht wären. Daraufhin verniedlichten die Gebrüder Grimm die Märchen und mystische wie erotische Elemente wurden herausgeschrieben. Das wiederum rief die romantischen Dichter auf den Plan, die kritisierten, dass romantische Elemente wie die Mystik und die Erotik verloren waren. Heute findet man überwiegend kindgerechte Grimms Märchen im Verkaufsangebot. Deshalb vermeinen die Menschen hartnäckig, dass Märchen nur etwas für Kinder wären. Man kann allerdings auch die Urschriften immer noch kaufen, wer sich dafür interessiert.

Zahlensymbolik im Märchen

Märchen haben für alle Menschen von ganz klein bis uralt eine Bedeutung, die vielfach im Verborgenen liegt. So bedeuten Farben und Zahlen sehr viel.

Mystische Zahlen sind 3, 4 und 7. Der Held oder die Heldin müssen meist drei Aufgaben erfüllen. Während die “1” für Einzigartigkeit steht, ist die “3” bedeutungsvoll durch Himmel, Erde und Hölle. Der Held oder die Heldin gehen bei der Meisterung der gestellten Aufgaben immer auf der Erde durch die Hölle bevor der Himmel erreicht ist. Die “4” bedeutet die 4 Winde aus den 4 Haupthimmelsrichtungen Nord, Ost, Süd und West. Die “7” besteht nicht nur aus 3 und 4, sondern weist auf die weibliche Vollkommenheit und die männlich geprägte Vollständigkeit hin. Auch 3 mal 4 also “12” ist von besonderer Magie beseelt. Das Jahr hat 12 Monate. Wobei das wiederum das patriarchale Jahr bedeutet. Das Jahr der Mütterreiche im Matriarchat verfügte über 13 Monate, weshalb auch die 13 in Märchen eine magische Zahl ist.

Farbsymbolik im Märchen

Die Farbsymbolik in Märchen hat ebenfalls eine besondere Bedeutung. In Märchen verwenden wir nur reine Farben. Schattierungen sind bedeutungslos. Schwarz und weiß sind genau genommen keine Farben, sondern Ausdruck für hell und dunkel. Deshalb gilt weiß als Farbe der Vollkommenheit, weil sich das weiße Licht aus allen Farben zusammensetzt. Schwarz dagegen ist die Farbe des Todes, aber auch die Farbe der Weisheit. Rot wird als Farbe der Liebe betrachtet, aber auch der Wildheit, der Suche nach der eigenen Seele.

Nehmen wir das Märchen Schneewittchen. Da lässt die Königin einen Tropfen Blut auf den Schnee fallen und wünscht sich eine Tochter, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz, aus dem der Fensterrahmen bestand. Wichtig ist hier die Reihenfolge der Farben, die dem weiblichen spirituellen Weg entspricht. Das junge Mädchen ist weiß wie Schnee, also vollkommen rein in seiner Seele und seinem Aussehen. Später wird die Frau wild, also rot, auf der Suche nach sich selbst, schlussendlich, im hohen Alter wird die Greisin weise, also schwarz.

Bei männlichen Helden ist es so, dass der Recke zuerst eine rote Rüstung erhält, also als junger Mann wild und ungestüm durch die Welt streift, sich erproben will. Darauf folgt später die weiße Rüstung für die Vollkommenheit im Sein, Ruhe und Gelassenheit. Auch auf den männlichen Helden wartet im hohen Alter die Weisheit mit der Farbe schwarz, symbolisiert durch eine schwarze Rüstung. Das ist der ideale spirituelle Weg des Mannes.

Aus diesen beiden Wegen ergibt sich, dass Mann und Frau sich missverstehen müssen. Der junge Mann, wild und ungestüm, lernt das reine Mädchen kennen. Später entwickelt sich das Mädchen zu einer wilden Frau, die besondere Herausforderungen zu bestehen hat, während der Mann ruhig und gelassen wird und sich nur wundert, was aus dem Mädchen geworden ist, wie sich auch die Frau wundert, warum sie jetzt einen ruhigen Mann hat.

Die Vereinigung erfolgt schließlich in der Weisheit der beiden, wobei nicht sicher ist, dass die Menschen auch tatsächlich weise werden. Der Weg dahin ist mit vielen Herausforderungen gepflastert, aus denen wir lernen sollen. Lernen wir nicht, bleibt uns die Weisheit versperrt. Wichtig zu wissen ist, dass Farben Emotionen freisetzen, Gefühle sichtbar werden lassen. Das intuitive Wissen um die Farben ist uns angeboren, das rationale Wissen um die Farben ist kulturell anerzogen. Interessant ist, dass die Farben durch unser Unterbewusstsein immer spirituell wirken, auch wenn wir rational nicht um die Bedeutung der Farben wissen. Märchen wirken also auf unsere spirituelle Intuition in jedem Fall.

Die unbewussten Wirkungen

Deshalb sind Märchen für Erwachsene wie für Kinder bedeutungsvoll. Unterbewusst zeigen sie den Menschen Lösungsmöglichkeiten für die unterschiedlichsten Konfliktsituationen auf, wie zum Beipiel die Loslösung der Kinder von den Eltern, besonders der Töchter von den Vätern wie der Söhne von den Müttern. Märchen thematisieren unsere Gefühle wie Angst oder Verlassenheit und sind hilfreich bei der Überwindung dieser im allgemeinen starken Gefühle. Auch hier wieder die Wirkung über das Unterbewusstsein wie auch über die Ratio, den Verstand. Da Märchen immer beide Ebenen ansprechen, sind sie besonders hilfreich, um Herausforderungen des Lebens zu meistern. Märchen sind lebensbejahend und wohltuend, das Gute siegt am Ende. Das vermittelt Optimismus, auch schreckliche Momente im Leben durchzustehen.

Wenn wir Erwachsenen Märchen verniedlichen, um sie Kindern nahe zu bringen, so dürfen bestimmte Grundsätze nicht verändert werden, damit ein Märchen seine Wirkung voll entfalten kann. Dazu gehören, dass der Held, die Heldin gut und sympathisch sind, das Ziel die Errettung aus einer Gefahr ist, die Handlung in einer Fantasiewelt angesiedelt ist mit Bezügen zur Realität, das Märchen immer gut ausgeht, Zahlen- und Farbzusammenhänge wegen ihrer großen spirituellen Bedeutung nicht verändert werden.

So vermitteln Märchen Erwachsenen wie Kindern Werte und Regeln für das Zusammenleben und die Selbstverwirklichung, bieten Schutz und Sicherheit auf dem individuellen Entwicklungsweg.

1 Comment

  1. Schöner Text mit kleinen Schönheitsfehlern. Einer davon:

    Die Brüder Grimm waren keine! Romantiker, sondern ausdrückliche Gegner der Romantik. Sie waren Realisten, Positivisten, Empiriker, also “Aufklärer”.

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